Deutschland – ein Nationalstaat der Golfspieler?

Deutschland – ein Nationalstaat der Golfspieler?

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Bundesrepublik Deutschland – ein Land der Golfer?

Golf besetzt hierzulande eine sehr besondere Nische. In anderen Staaten ist er populärer, aber woran liegt das? Hat der Golfsport noch Entwicklungspotenzial?

Marcel Siem ist kritisch. Seine Lieblingssportart Golf sei in seinem Herkunftsland Deutschland unterentwickelt sowie unterrepräsentiert. „Wir sind da leider immer noch ein Entwicklungsland“, hat er sogar gesagt.

Überschaubare Einschaltquoten

Deutschland ein Golf-Entwicklungsland? Zurzeit ist der Anteil der aktiven Golfspieler bei 0,75 Prozent der heimischen Einwohner, was dafür sprechen würde. Die Medienpräsenz wird häufig bemängelt, die Hürden, die der Sport Einsteigern offeriert, auch.

Doch die pure Anzahl der Golfbegeisterten ist für manche zweitrangig. So findet der Leiter der Sportkommunikation beim Bezahlsender Sky, Dirk Grosse, daß die Vernarrtheit der Golfspieler sie zu einer besonderen Gruppe macht. Golfbegeisterte sind aus seiner Sicht überdurchschnittlich begeistert und wachsam: „Alle, die bei uns einschalten, sind Golfinteressierte. Hier bleibt nahezu alles hängen, was gezeigt wird. Auch die Verweildauer bei Golfübertragungen ist sehr hoch. Das ist bei einem Fußballspiel mit Millionenquote nicht immer der Fall.“

Für Sky, der als einziger sämtlicher Sportsender Golfturniere überträgt, ist das Golfpublikum dadurch eine vielversprechende Zielgruppe. Von einem Quotenhighlight kann dennoch absolut nicht die Rede sein. „Die Zuschauerzahlen bei Golf Major Turnieren erreicht hat ungefähr das Level der Eishockey Übertragungen während der vergangenen Saison“. Im Klartext bedeutet das im Durchschnitt circa 40 000 Betrachter, so Grosse, Entwicklung leicht steigend.

Ist der Golfsport fernsehtauglich?

Daß sich öffentlich-rechtliche und private Programme nicht um die Übertragungsrechte bewerben, liegt auch in der Fernsehtauglichkeit des Golfsports begründet. Golfübertragungen sind risikoreich, weil dieser Sport keinen sicheren zeitlichen Rahmen hat. Falls sich der Ablauf verzögert, wird es schwieriger für die Fernsehanstalt, den interessanten Flight mit Tiger Woods noch in die Sendezeit zu bekommen.

Für einen Zuschauer am Fernseher ist der kleine, weiße Ball bei bestimmten Kameraeinstellungen schwierig zu sehen, das Spiel ist außerdem für einen zufällig zuschaltenden Laien recht schwer zu durchschauen. Die Schwierigkeit der Regularien wird durch die Gesamtlänge des Turnierverlaufs, durch jede Begutachtung der Ballposition und Beratungen mit Caddie und Co. noch getoppt.

Begeisterte Golfspieler stören sich daran gar nicht. Sie sind fasziniert von den Plätzen, den Stars und den Aufgaben, welche sie manchmal im Rough oder im Bunker zu bewältigen haben. Zwar kann man davon ausgehen, dass sich die Anzahl des Golfpublikums steigern würde, wenn mehr Menschen in Deutschland persönliche Erfahrungen auf dem Grün sammeln würden. Doch wie viele waren schon einmal wirklich auf einem Golfplatz?

Die Hürde Platzreife

Die Reglements in Deutschland sind im Vergleich zu anderen Staaten strikt, ohne Platzreife lässt es sich hierzulande schwerlich ein vernünftiger Abschlag durchführen. Großbritannien und Frankreich sind da relativ unkompliziert oder akzeptieren ausländische Pässe, während in den USA jeder einen Golfplatz betreten darf, der dafür bezahlt. Auf deutschen Plätzen ist das anders, in diesem Fall muss zunächst die Etikette gelernt werden, was für einen einwandfreien und sicheren Ablauf richtig und wichtig ist. Allerdings diese erste Barriere zum Golfsport, die Platzreife, ist mit einem dreistelligen Betrag hoch, eventuell zu hoch. Und eventuell schadet sie auch ein bisschen dem Image einer einladenden, neuen Mitgliedern zugewandten Sportart.

Der Golfsport öffnet sich

Aus diesem Grund bietet die Aktion “pay & play” vom Verein clubfreier Golfer (VcG) seit 2003 für den Aufbau von Kurzplätzen gesorgt, auf denen man ohne Platzreife spielen kann, z.B. in Eitof bei Windeck, bei Homburg/Saar beziehungsweise in Münnerstadt in Bayern. Auto-unabhängige Anschlüsse an diese besonders für Anfänger geeigneten Plätze fehlen jedoch meist noch, genau wie die Option, einen Golfplatz mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen. Sie wären ein zusätzlicher Vorstoß in die Richtung, Golf in Deutschland zu etablieren und das elitäre Image abzulegen. Zumal Golf spielen so auch jüngeren Menschen möglich gemacht würde, die noch keinen Führerschein haben.

Nachwuchsförderung ist das A und O einer jeden Sportart; aus den Kleinen werden später die Großen. Martin Kaymer hat mit zehn Jahren begonnen zu spielen und wechselte damals vom Fußball zum Golf. Der Verein clubfreier Golfer (VcG) hat sich aus diesem Grund für das Nachwuchsprojekt „Abschlag Schule“ eingesetzt und sich Schülern im Sportunterricht zugewandt. Seit 2007 wird jetzt beim bundesweiten Schulsportwettbewerb „Jugend trainiert für Olympia“ auch Golfsport im Wettbewerb gespielt.

In Zukunft wird es gehäuft darum gehen, Menschen und Medien für den Sport zu begeistern. Das Potenzial ist gegeben, aber auch andere Sportarten buhlen um die Gunst der Aktiven und der Jungen. Der Golfsport sollte sich, wenn er den Zustand des Golfentwicklungslandes verlassen will, vor allem dem Breitensport und den Bedürfnissen der potenziellen Golfzielgruppe zuwenden. Die steigende Tendenz der Aktiven im Golfsport zeigt auf, dass man eventuell auf dem Weg ist, dieses Potenzial zu nutzen.